Offener Brief an den Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs

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Der Bund für Geistesfreiheit Neuburg-Ingolstadt (bfg) hat am 4. Februar 2019 einen Offenen Brief an Johannes-Wilhelm Rörig, Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, geschrieben. Darin bezeichnet der bfg die staatliche Reaktion auf die Missbrauchsfälle als einen Skandal und möchte wissen, warum die Strafverfolgungsbehörden trotz tausendfacher Verdachtsmomente auf Offizialdelikte eine erstaunliche Untätigkeit zur Schau stellten. Bezug nimmt er dabei auf die Pressemitteilung "Anlässlich 9 Jahre 'Missbrauchsskandal'" Rörigs vom 28. Januar 2019. Wir dokumentieren den Brief im Wortlaut:

 
"Sehr geehrter Herr Rörig,
 
die Kirche hat sich sexueller Verbrechen an Minderjährigen schuldig gemacht. In der breiten Öffentlichkeit werden diese Verbrechen als „Skandal“ wahrgenommen und von Ihnen als „ungeheuerliches Unrecht“ bezeichnet.

Nach aufmerksamer Verfolgung und intensiver Diskussion der diesbezüglichen Ereignisse sind wir zu der Überzeugung gelangt, dass auch die staatliche Reaktion auf die Missbrauchsfälle einen Skandal darstellt.

Wir fragen uns, wie es möglich sein kann, dass die Strafverfolgungsbehörden trotz tausendfacher Verdachtsmomente auf Offizialdelikte eine erstaunliche Untätigkeit zur Schau stellen. Wir fragen uns weiter, ob die Antwort auf diese Frage in der Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaften zu suchen ist. Wurden und werden unsere Staatsanwälte von politischer Seite ausgebremst? Genießt die Kirche bei strafrechtlichen Ermittlungsverfahren einen Sonderstatus?

Das wäre eine nicht hinnehmbare Missachtung eines Kernprinzips unseres Rechtssystems: die Gleichheit vor dem Gesetz. Wenn dieses Prinzip nicht ausnahmslos durchgesetzt wird, steht die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaates auf dem Spiel. Und diese beweist sich gerade in kritischen Situationen, in denen die Ermittler mit einem starken Gegner konfrontiert sind. Hier wird sichtbar, ob die von unseren Politikern immer wieder beschworene „Herrschaft des Rechts“ mehr ist als hohle Rhetorik.

„Ungeheuerliches Unrecht“ muss strafrechtlich verfolgt werden. Doch genau zu diesem Aspekt des Missbrauchsskandals schweigen Sie in Ihrer Pressemitteilung. Schade. Das ist mehr als bedauerlich, weil wir es hier auch mit Missbrauchsfällen zu tun haben, die noch nicht verjährt sind. Eile ist geboten. Kirchliche Akten und Archive hätten längst beschlagnahmt werden müssen. Wir vermissen das entschlossene Agieren von Polizei und
Staatsanwaltschaft, wie wir es derzeit bei der Aufklärung der Sexualverbrechen auf einem Campingplatz in Lügde beobachten können.

Vor wenigen Tagen haben Sie der Tageszeitung Die Welt gesagt, bei der strafrechtlichen Aufarbeitung dürfe es „keine schonende Extrabehandlung für die Kirchen“ geben. Wenn das Ihre Position ist, bitten wir Sie uns mitzuteilen, was Sie zu tun gedenken, um dieser Position die dringend nötige Geltung zu verschaffen.

In tiefer Sorge um das Vertrauen in unseren Rechtsstaat und das tief verletzte Gerechtigkeitsgefühl der Opfer klerikaler Sexualverbrechen erwarten wir Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen

Der Vorstand des Bund für Geistesfreiheit Neuburg-Ingolstadt K.d.ö.R."

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